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Graduiertenschule GEO-C erforscht "Smart Cities"

Doktoranden stellen Lösungsansätze für die Städte der Zukunft vor
© Christian Kray

Immer mehr Menschen weltweit leben und arbeiten in Städten. Die nachhaltige und menschenfreundliche Gestaltung urbaner Räume ist daher eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Experten räumen dem Konzept der „Smart Cities“ (englisch für „intelligente Städte“) eine große Bedeutung bei der Entwicklung von Lösungsansätzen ein: Dabei geht es darum, Städte so zu planen und zu entwickeln, dass sie durch den geschickten Einsatz von Technologien lebenswerter werden und dabei Ressourcen geschont werden. Das europäische Doktorandenprogramm „GEO-C: Enabling Open Cities“ am WWU-Institut für Geoinformatik unter Leitung von Prof. Dr. Christian Kray wurde für die Dauer von vier Jahren von der Europäischen Kommission gefördert – die Münsteraner kooperierten dabei mit der Neuen Universität Lissabon (Portugal) und der Universität Jaume I (Spanien). Rund 15 Doktorandinnen und Doktoranden haben Lösungsansätze für die Städte der Zukunft entwickelt – drei von ihnen berichten in der Unizeitung wissen|leben über ihre Forschung.

 

Der Schutz der Privatsphäre von „ortsbezogenen Diensten“

Von Mehrnaz Ataei

Wir alle sind von verschiedenen Technologien umgeben, die permanent unsere persönlichen Daten sammeln. Die Allgegenwärtigkeit dieser Techniken erschwert es uns zu verstehen, was es bedeutet, dass wir beim Nutzen digitaler Medien unsere persönlichen Daten preisgeben.

Ortsbezogene Daten oder der physikalische Standort von Personen sind persönliche Daten, die von vielen Diensten und Anwendungen verwendet werden, um den Nutzern standortspezifische Informationen zu liefern. Google Maps oder Facebook sind bekannte Beispiele: Sie helfen den Nutzern, sich leichter zu orientieren, vor allem an ihnen unbekannten Orten. Ortsbezogene Daten sind wertvoll, da sie viel über die jeweilige Person verraten. Die oftmals ungewollte Veröffentlichung solcher Informationen kann der Person schaden oder sie gefährden. Zum Beispiel können Einbrecher erfahren, wann die Bewohner nicht zu Hause sind. Oder Unternehmen können den Chronik-Verlauf der ortsbezogenen Daten einer Person analysieren und dadurch etwas über ihre Gewohnheiten und Interessen herausfinden, um sie auszuspionieren oder um gezielt Werbung zu verschicken.

Das wichtigste Ziel meiner Forschung war es, eine Möglichkeit zu finden, sowohl einen Dienst anzubieten, der auf die ortsbezogenen Daten eines Nutzers zugreift, als auch die Privatsphäre des Nutzers schützt. Dazu habe ich technische Lösungen entwickelt, um die Architektur dieser Dienste zu ändern. Ich habe neue Benutzerschnittstellen entwickelt, um Nutzern die Möglichkeit zu geben, die Einstellungen zur Veröffentlichung ihrer ortsbezogenen Daten anzupassen. Und schließlich habe ich Richtlinien entwickelt, die Designern und Entwicklern helfen können, ortsbezogene Dienste zu entwerfen, die die Privatsphäre der Nutzer berücksichtigen.

 

Apps helfen Flüchtlingen bei der Ankunft in einer fremden Stadt

Von Ana Maria Bustamante

Im Lauf der Geschichte ist es immer wieder vorgekommen, dass Menschen gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. So mussten nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen 2017 weltweit 65,8 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen, um Krieg oder Unterdrückung zu entkommen.

Heute spielen bei der Flucht digitale Dienste und Technologien, zum Beispiel Mobiltelefone und Apps, eine große Rolle. Einige dieser Dienste werden verwendet, um eine Fluchtroute oder mögliche Ziel-Städte zu finden. Sie werden auch zum Sprachenlernen genutzt, um die Kommunikation zu vereinfachen. Das volle Potenzial dieser digitalen Dienste für Flüchtlinge ist jedoch noch nicht ausreichend erforscht. In meiner Studie konzentriere ich mich darauf, wie man junge Flüchtlinge aktiver in die Entwicklung von mobilen (raumbezogenen) Diensten, etwa individuell anpassbare Navigations-Apps und Stadtpläne, einbindet, die ihnen bei ihrer Ankunft und in ihren ersten Monaten in Münster helfen. Zunächst habe ich mich darauf konzentriert, gemeinsam mit ihnen herauszufinden, welche Herausforderungen und Bedürfnisse sie in diesen Phasen haben. Dann haben wir verschiedene Ansätze partizipativer Entwicklungspraxis und -theorie untersucht, zum Beispiel die Schaffung von „geschützten Räume“, um aktive Teilnahme zu begünstigen. Dazu haben wir Strategien und Konzepte aus den Forschungsgebieten Mensch-Maschinen-Interaktion und Bildungswissenschaften kombiniert. Schließlich haben wir mit einer Open-Source-Software zwei Prototypen für mobile Apps entwickelt, die Flüchtlingen helfen sollen, sich bei ihrer Ankunft in Münster zu orientieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen, dass in Zukunft Apps für Flüchtlinge zusammen mit ihnen in partizipativen Entwicklungsprozessen erstellt werden und damit Flüchtlingen das Eingewöhnen in ihrer neuen Stadt erleichtert wird.

 

Neue Mess-Stationen zur Untersuchung der Luftqualität

Von Shivam Gupta

Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten – Tendenz steigend. Dieses Wachstum führt zu verschiedenen ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen und beeinträchtigt die Lebensqualität der Stadtbewohner. Trotz vieler technologischer Fortschritte und zahlreicher Werkzeuge, bleibt die Luftverschmutzung seit Jahrzehnten eines der größten Gesundheitsrisiken und beeinflusst die individuelle Lebensqualität und das Wohlbefinden.

Da es nur wenige Messstationen in Städten gibt, entstehen große Lücken bei der Datenerhebung, so dass Wissenschaftler die Gründe für die unterschiedliche Luftqualität innerhalb einer Stadt noch nicht gut verstehen. Meine Forschung entwickelt Methoden, um diese Datenlücken zu schließen. Zunächst habe ich eine Methode entwickelt, die frei zugängliche Daten verwendet, um optimale Standorte zu finden, an denen neue Messstationen platziert werden. Das schließt auch Messstationen ein, die interessierte Bewohner aufstellen möchten, um eine noch bessere Abdeckung zu erhalten. Um weitere Datenlücken zu schließen und Bewohnern die Anonymität der von ihnen gemessenen Daten zusichern zu können, habe ich Wohnungsbaugesellschaften kontaktiert, um sie als Partner zu gewinnen. Da nur spärliche Daten über die Verkehrslage vorliegen, die aber sehr wichtig sind, um die Luftverschmutzung abschätzen zu können, habe ich ein kostengünstiges Hardware-System entwickelt, um das Fahrzeugaufkommen zu messen.

Die Ergebnisse meiner Arbeit helfen dabei, die aktuell unzureichenden Luftmessungen in Städten zu verbessern: Genauere Messungen ermöglichen ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Luftqualität innerhalb einer Stadt, was wiederum die Voraussetzung dafür ist, um in Städten die Gesundheit der Bewohner und ihre Lebensqualität zu verbessern.

 

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben, Nr. 1, 30. Januar 2019.